Thomas Görden
Gedichte
Mein Haus
Wenn ich es mir einmal leisten kann, ein eigenes Haus zu bauen, geh' ich den Bau ganz in Ruhe an. Und in meinem Haus werd ich ganz bestimmt keinen teuren Plunder verstauen, der wenig nützt und nur die Luft zum Atmen nimmt. Nein, reichlich Raum sein soll in allen Räumen, viel Platz zum Tanzen und zum Träumen. Und du wirst es im Grünen kaum sehen, mein Haus, als wüchsen auf magische Weise Bäume und Wiesen daraus.
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Steine und Sterne
Tausend Sterne ... ein Himmel aus Licht ein ganzes Universum zwischen deinen Augenlidern
nimm den Stein aus deinem Herzen wirf ihn weit fort
schau, seine lange Bahn er zerbirst am Mond und wird zu tausend Sternen ...
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(Das folgende Gedicht ist schon recht alt - aus dem Jahr 1985 -, aber durchaus aktuell )
Ein Mann mit Werten
Menschen interessieren ihn nur, wenn sie ihm nützen. Liebe ist für ihn eine Investition, Leistung muss sich wieder lohnen in Bett und Büro.
Wohlanständigkeit umgibt ihn wie eine Cellophanhülle, man kennt ihn als hart aber fair. Seine Frau repräsentiert, ist noch durchaus präsentierbar, wenn er
Morgens aus dem Haus ist, holt sie den Cognac aus dem Schrank. Er wird sie bald wieder in Kur schicken, vier trockene Wochen im Schwarzwald, wie gehabt.
Er ist reich, erfolgreich, beliebt. Wenn er abends keine Tablette nimmt, träumt er halbwach von:
1. paradiesischen Südseeinseln 2. den rauhen Weiten Kanadas 3. der guten, alten, beschaulichen Zeit
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Tango
Da ist ein Tanzschritt auf Wolken, ohne Scherben im Schuh; da sind gereifte Gesichter, manche hart, manche weich, und es kreisen Geschichten zu Salaten und Wein:
graue Haare und Hoffnung ...
Tango --
zwischen Kindern, die kommen, und Kindern, die gehen, und dem Seufzer des Todes und dem Schrei der Geburt ein Regen aus Worten, noch ein Glas, noch ein Kuss:
noch ein Lächeln, ein Lied ...
Tango --
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Im Münchner Hofgarten
Parkbänke, Parkbänke sprödes, müde gesessenes Holz grüner Lack verliert sich in der Zeit
Alte Leute wandern zwischen den Beeten langsam verwundert über die Natur der Zeit
Der Wind wirbelt weißen Staub über die sorgsam eingefaßten Wege während die Menschen kommen und gehen
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Roses in the snow (Songtext, vertont von Jochen Walter)
all feelings frozen all friends far away all music silenced all memories dead
cold heart, cold hand white and waste land left foot, left hand don't you, don't you understand
red roses grow out of sadness red, red roses blossom in the snow
all glasses empty all future lost all faces distorted all dreams torn and tossed
no wrong, no right no loss, no fight darkness shines bright don't you, don't you understand
red roses grow out of sadness red, red roses blossom in the snow
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The Song of Joy (Songtext, vertont von Jochen Walter)
the song of joy quivering with leaves in the wind cobwebs sparkling with dew and a nightingale, a nightingale
the song of joy breaking with waves on the cliffs seagulls crying anew and a moon so pale, moon so pale
the song of joy crying with babies newborn harvesters reaping the corn and a morning's tale, a morning's tale
the dance of joy let me dive into your arms our icehouse is melting away no lies and no false alarms and a nightingale moon so pale a morning's tale
it's the dance of joy the dance of joy ...
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Die Libellen
Unglaubliche Fliegerinnen, alljährlich wiedergeboren in Schilf und Schlamm, Lufttänzerinnen des Sommers.
Mosaikjungfer, Blaupfeil Große Königslibelle - schwereloser, sonnengefluteter Flug über Waldwegen und stillem Wasser.
Im Herbst sterben sie. Auf den Teichen treiben vom Raureif gebrochene Glasflügel, vergangene Geschenke des Lichts.
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Feuersalamander
Das sagenhafte feuerfeste Ungeheuer ist mir heute begegnet! Todesmutig habe ich es eingesperrt in ein Gefängnis aus durchsichtigem Plastik, um es neugierig anzustarren.
Weich und verletzlich ist die lackglänzende Haut des Salamanders. "Vorsicht, giftig!" rufen seine grellen Schwefelflecken; das ist seine einzige Waffe, doch sie hält Ringelnattern nicht davon ab, ihn zu verschlingen.
Auf dem harten Asphalt, wo ich ihn fand, wird er sich fremd gefühlt haben; sein Warngelb bietet keinen Schutz gegen heranrollende Räder.
Ich habe ihn in den Wald zurückgetragen; dort erleben kleine Salamander auf ihrer nächtlichen Suche nach Schnecken große Abenteuer in Dschungeln aus Farnkraut, Prärien aus Moos.
Auf kurzen Beinen ist er leuchtend davongewandert, so wie seit Millionen Jahren Salamander durch die Wälder wandern. Uralt schien mir sein kohlenschwarzer Blick.
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Die philosophische Schnecke
Gemächlich kriecht sie über'n Flusssand, hat viel Zeit für Philosophie: "Jahrmillionen rollen", denkt sie, "durch das Flussbett, zermahlen die Kiesel, versteinern die Muscheln. Die Jahre rollen gleich Sekunden, werden gefunden und verloren im endlosen Wie. Die Windung meines Hauses ist vielleicht Erinnerung an die Spirale eine Galaxie."
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Qigong - Spiel der Fünf Tiere
I. Der Bär
König von Bergwald und Tundra, Totemtier der Schamanen, für die er mit seiner großen, schnüffelnden Nase heilende Kräuter findet; immer ist er hungrig nach Honig, und mit einem einzigen Hieb tötet er das Rentier, das zu krank und schwach ist, um vor seinem Bärenhunger zu fliehen.
Zum furchtbaren Zorn-Bären kann er werden, rückst du ihm zu nah auf den Pelz; gegen jeden Angreifer verteidigt mit Pranken und Zähnen die Bärenmutter ihre neugierigen, verspielten Jungen.
Die Kraft des Bären ist die Kraft der Erde, die Macht des weiten, menschenleeren Landes; wenn du den Tanz des Bären übst, auf weichen, doch mächtigen Tatzen, wirst du rund wie die Erde und stark wie die reißenden Flüsse, wo der Grizzly in der Gischt steht und Lachse fängt.
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Die Stille
Die Stille sucht sich immer wieder neue Stimmen, die sie in Worte fassen, deren Wesentlichstes das Ungesagte ist.
Das Unsagbare schwebt zwischen Wörtern, Räumen - lebt.
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Departure
Im Zeitalter der großen Jets ist Reisen oft nur noch Ankommen und vielleicht fliegen wir so viel um vor uns selbst zu fliehen wodurch dann Aufbruchsort und Ziel zu immer größerer Ähnlichkeit verkommen
So wirken diese Menschen in der Abflughalle trotz Reisefieber irgendwie beklommen wie eine große Herde in der Falle und völlig in ihre eigene Welt verstrickt obwohl die lächelnde Check-in-Frau sie doch nach oben in den freien Himmel schickt
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Ausstellung, Neuwied, 1993: "Die Reise in das innere Nord-America von Maximillian Prinz zu Wied und Karl Bodmer"
Ausstellungsstück: Kleid einer Plains-Indianerin, um 1850.
Vor hundertvierzig Jahren erfüllte ein Mensch dieses Kleid, wer mag die weißen, blauen und roten Stachelschweinborsten und die vielen Fransen bewundert haben?
Tränen und Lachen - verweht. Der Körper wieder Teil der Prärie. Kinderrufe und Hundegebell, Tanztrommeln und galoppierende Pferde - verklungen. Alles, was dieser Mensch mit seinen Augen sah: verweht wie der Rauch über den Tipis.
Nur dieses Kleid: stummer Bote eines fernen, fremden Lebens - Geheimnis der Zeit, und im Glas des Schaukastens spiegelt sich mein Gesicht.
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Le Mont-Saint-Michel
Über den Damm zum Mont-Saint-Michel laufe ich, meinen Kopf getaucht in ein verwirrend tiefes Meer aus Sternen. Dunkel wächst der Mont vor mir in den Himmel. Ich bin ein Gespenst aus einer anderen Zeit, husche durch das Tor, durch die schlafende Andenkengasse, über nachtschwarze Treppen hinauf, wo die Abtei auf dem Berg hockt wie ein dumpf träumender Drache. Von dort oben sehe ich den Horizont eine rote Sonne gebären.
Später werden sich Busladungen ins Mittelalter ergießen, ein Strom sonnenroter Touristenleiber, die schnaufend, bildermachend den Heiligen Berg besteigen, wo die Abtei als fremde, mystische Vision in den entweihten Himmel ragt.
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Rhein-Elegie
Der Strom stieg rasch,verschlang einige Möbel in den Häusern am Ufer, wo die Mieten billig sind. Die Eingänge der alten Häuser im kalten Wasser, Stege zu den Fenstern im ersten Stock. Eine alte Frau mit dem Feuerwehr-Schlauchboot zum Krankenwagen.
Der Pegel fällt, Treibgut hängt an Straßenlaternen und Ufergeländern. Es hinterlässt der Strom ölig-grauen Schlamm, alles wartet, dass er in sein Bett zurückkehrt.
In den gelblich-braunen Fluten singt irgendwo die Loreley.
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Am Rhein - später Nachmittag
Hinter tanzenden Zweigen hoher Silberweiden der Fluss Lichtader zum Ozean ferne Ufer in den Rufen der Möwen am Himmel
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Delphinisch
Das Meer - ewig wirft es mir seine Wellen entgegen, malt Muster in den Sand, meißelt Zeit in die Klippen.
Der Mond zieht an mir zu siebzig Prozent wässrigem Wesen, Ebbe und Flut fallen und steigen an den weiten Ufern meines Herzens.
Tränen habe ich, salzig wie Tang, Meersalz bindet mein Blut. In den Muscheln meiner Ohren rauscht die ewige Mutter, die See.
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Süden
Träume schweben hinter roten Horizonten und erstes Licht zerpflügt das Schattenspiel der Nacht. Da ist ein Duft von fernen sonnenblauen Küsten und kleine Fischerboote schaukeln sanft am Kai. Der Wind spielt mit Tischdecken und weißen Segeln. Auf den Tischen: Schafskäse, Oliven, Wein. Die Zeit kam nie in diese Orte. Der Tod ein kurzer Schlaf am Strand.
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Wiederkehr eines alten Mannes
Fast bis zuletzt blieb die Vergangenheit seine treue Gefährtin, überlebte in viel erzählten Geschichten, die sich in seinem Kopf drehten wie Gebetsmühlen.
Zuletzt floh ihn auch die Vergangenheit. Nackt und sprachlos trieb er in ruderloser Barke unter den Sternen.
Nackt und sprachlos kam irgendwo ein Kind zur Welt, öffnete den Mund zum ersten Schrei, hungrig nach neuen Geschichten!
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Solange
Solange der Ruf des Bussards mich berührt, der grau schweigende Flug des Reihers mich trifft wie die hallenden Rufe durchs Sonnengeäst gleitender Spechte, steht der Horizont mir weit offen.
Als Wanderer unter Großem Wagen und Orion fürchte ich mich nicht vor dem fraglosen Nichts, und darum freut sich die Nacht über meine Gesellschaft, kleidet mich in einen Mantel aus Flussnebel, Sternengöttinnen spinnen die Fäden meiner Träume.
Ich gleite durch die Tür des neuen Morgens, füge mich ein zwischen Toaster und Kühlschrank, gut geölt summe ich durch den Tag, habe ein Lächeln für Nachbarn und Briefträger, aber auch unter der Mittagssonne bleibt meine Neugierde unruhig, meine Fragen huschen als Schwalben über die Dächer.
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Highwayman ist ein wunderbarer Song von Jimmy Webb. Er wurde von verschiedenen Sängern aufgenommen, aber mir als altem Johnny-Cash-Fan gefällt dessen Version am besten. Ich habe mich davon zu folgendem Gedicht inspirieren lassen:
Unterwegs
Ich war ein Wikinger, fuhr mit Leif Eriksson von Grönland in die Neue Welt. Dort baute ich in einer Walfischbucht fieberkrank mein letztes Zelt.
Ich war Conquistador, segelte mit Cortez in ein Land voll Gold. Dort, tief im Dschungel, hat der Teufel mich geholt.
Ich war ein weißer Jäger, dem Großwild auf der Spur im schwarzen Herz von Afrika. Das Blut des angeschossenen Elefanten war das letzte, was ich lebend sah.
Ich bin nicht tot, bin unterwegs, und find ich keinen Ort, wo meine Seele schlafen kann, fang ich vielleicht als Wikinger nochmal von vorne an.
Ich war Pilot, der kühn den Südpol überflog, bis im Eissturm mir ein Flügel brach und der von Öl und Flugbenzin befleckte Schnee mit tausend Nadeln nach mir stach.
Ich war ein Bergsteiger, bezwang den kalten, alten Everest, und als ich in die Augen des Schneeleoparden sah, war ich der Wahrheit zwischen Nacht und Tag wie nie zuvor ganz nah.
Ich bin ein Raumfahrer, die ganze Galaxie mein Mutterland. Ich kreuze durch das weite Sternenmeer, auf dass ich Gott erkenne in Gasnebeln und Pulsaren ringsumher.
Ich bin nicht tot, bin unterwegs, und finde ich den Ort, wo meine Seele träumen kann, ruh ich mich aus und schau mir dann noch viele andere lebendige, bewohnte Welten an.
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Ein deutscher Text zum Leonard-Cohen-Song The Partisan (Originaltext: Anna Marly und Hy Zaret, MCA Music)
Der Partisan
Als Soldaten einmarschierten, riet man mir, mich zu ergeben. Das konnte ich nicht tun. So floh ich in die Wälder.
Ich trug manchen falschen Namen, Frau und Kind hab ich verloren, hab aber viele Freunde. Wir kämpfen nicht alleine.
Eine Bäuerin gab uns Obdach, verbarg uns vor der Patrouille, hielt sie mutig auf. Sie starb ohne ein Flüstern.
Drei noch waren wir am Morgen, jetzt bin ich alleine übrig, doch ich geb nicht auf, bis alle Grenzen fallen.
Oh, der Wind, der Wind weht stetig, weht auf Gräbern und auf Feldern. Bald schon sind wir frei, und kommen aus den Schatten.
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