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Gedichte

 

Thomas Görden

 

Gedichte

 

Mein Haus

Wenn ich es mir einmal leisten kann,
ein eigenes Haus zu bauen,
geh' ich den Bau ganz in Ruhe an.
Und in meinem Haus werd ich ganz bestimmt
keinen teuren Plunder verstauen,
der wenig nützt und nur die Luft zum Atmen nimmt.
Nein, reichlich Raum sein soll in allen Räumen,
viel Platz zum Tanzen und zum Träumen.
Und du wirst es im Grünen kaum sehen, mein Haus,
als wüchsen auf magische Weise Bäume und Wiesen daraus.

 

* * *

 

Steine und Sterne

Tausend Sterne ...
ein Himmel aus Licht
ein ganzes Universum
zwischen deinen Augenlidern

nimm den Stein
aus deinem Herzen
wirf ihn weit fort

schau, seine lange Bahn
er zerbirst am Mond
und wird zu
tausend Sternen ...

 

* * *

 

(Das folgende Gedicht ist schon recht alt - aus dem Jahr 1985 -, aber durchaus aktuell )

Ein Mann mit Werten

Menschen interessieren ihn
nur, wenn sie ihm nützen.
Liebe ist für ihn eine Investition,
Leistung muss sich wieder lohnen
in Bett und Büro.

Wohlanständigkeit umgibt ihn
wie eine Cellophanhülle, man
kennt ihn als hart aber fair.
Seine Frau repräsentiert, ist
noch durchaus präsentierbar, wenn er

Morgens aus dem Haus ist, holt sie
den Cognac aus dem Schrank.
Er wird sie bald wieder in Kur
schicken, vier trockene Wochen
im Schwarzwald, wie gehabt.

Er ist reich, erfolgreich, beliebt.
Wenn er abends keine Tablette nimmt,
träumt er halbwach von:

1. paradiesischen Südseeinseln
2. den rauhen Weiten Kanadas
3. der guten, alten, beschaulichen Zeit

 

* * *

 

Tango

Da ist ein Tanzschritt auf Wolken,
ohne Scherben im Schuh;
da sind gereifte Gesichter,
manche hart, manche weich,
und es kreisen Geschichten
zu Salaten und Wein:

graue Haare und Hoffnung ...

Tango --

zwischen Kindern, die kommen,
und Kindern, die gehen,
und dem Seufzer des Todes
und dem Schrei der Geburt
ein Regen aus Worten,
noch ein Glas, noch ein Kuss:

noch ein Lächeln, ein Lied ...

Tango --

 

* * *

 

Im Münchner Hofgarten

Parkbänke, Parkbänke
sprödes, müde gesessenes Holz
grüner Lack verliert sich in der Zeit

Alte Leute wandern
zwischen den Beeten
langsam
verwundert über die Natur der Zeit

Der Wind
wirbelt weißen Staub über
die sorgsam eingefaßten Wege
während die Menschen
kommen und gehen

 

* * *

 

Roses in the snow
(Songtext, vertont von Jochen Walter)

all feelings frozen
all friends far away
all music silenced
all memories dead

cold heart, cold hand
white and waste land
left foot, left hand
don't you, don't you understand

red roses grow out of sadness
red, red roses
blossom in the snow

all glasses empty
all future lost
all faces distorted
all dreams torn and tossed

no wrong, no right
no loss, no fight
darkness shines bright
don't you, don't you understand

red roses grow out of sadness
red, red roses
blossom in the snow

 

* * *

 

The Song of Joy
(Songtext, vertont von Jochen Walter)

the song of joy
quivering with leaves in the wind
cobwebs sparkling with dew
and a nightingale, a nightingale

the song of joy
breaking with waves on the cliffs
seagulls crying anew
and a moon so pale, moon so pale

the song of joy
crying with babies newborn
harvesters reaping the corn
and a morning's tale, a morning's tale

the dance of joy
let me dive into your arms
our icehouse is melting away
no lies and no false alarms
and a nightingale
moon so pale
a morning's tale

it's the dance of joy
the dance of joy ...

 

* * *

 

Die Libellen

Unglaubliche Fliegerinnen,
alljährlich wiedergeboren
in Schilf und Schlamm,
Lufttänzerinnen des Sommers.

Mosaikjungfer, Blaupfeil
Große Königslibelle 
- schwereloser, sonnengefluteter Flug
über Waldwegen und stillem Wasser.

Im Herbst sterben sie.
Auf den Teichen treiben
vom Raureif gebrochene Glasflügel,
vergangene Geschenke des Lichts.

 

* * *

 

Feuersalamander

Das sagenhafte feuerfeste Ungeheuer
ist mir heute begegnet!
Todesmutig habe ich es eingesperrt
in ein Gefängnis aus durchsichtigem Plastik,
um es neugierig anzustarren.

Weich und verletzlich
ist die lackglänzende Haut des Salamanders.
"Vorsicht, giftig!"
rufen seine grellen Schwefelflecken;
das ist seine einzige Waffe,
doch sie hält Ringelnattern
nicht davon ab, ihn zu verschlingen.

Auf dem harten Asphalt,
wo ich ihn fand,
wird er sich fremd gefühlt haben;
sein Warngelb bietet keinen Schutz
gegen heranrollende Räder.

Ich habe ihn in den Wald zurückgetragen;
dort erleben kleine Salamander
auf ihrer nächtlichen Suche nach Schnecken
große Abenteuer
in Dschungeln aus Farnkraut,
Prärien aus Moos.

Auf kurzen Beinen
ist er leuchtend davongewandert,
so wie seit Millionen Jahren
Salamander durch die Wälder wandern.
Uralt
schien mir
sein kohlenschwarzer Blick.

 

* * *

 

Die philosophische Schnecke

Gemächlich kriecht sie
über'n Flusssand,
hat viel Zeit für Philosophie:
"Jahrmillionen rollen", denkt sie,
"durch das Flussbett,
zermahlen die Kiesel,
versteinern die Muscheln.
Die Jahre rollen gleich Sekunden,
werden gefunden
und verloren im endlosen Wie.
Die Windung meines Hauses
ist vielleicht Erinnerung
an die Spirale eine Galaxie."

 

* * *

 

Qigong - Spiel der Fünf Tiere

I. Der Bär

König von Bergwald und Tundra,
Totemtier der Schamanen,
für die er mit seiner großen, schnüffelnden Nase
heilende Kräuter findet;
immer ist er hungrig nach Honig,
und mit einem einzigen Hieb
tötet er das Rentier,
das zu krank und schwach ist,
um vor seinem Bärenhunger zu fliehen.

Zum furchtbaren Zorn-Bären kann er werden,
rückst du ihm zu nah auf den Pelz;
gegen jeden Angreifer verteidigt
mit Pranken und Zähnen
die Bärenmutter ihre
neugierigen, verspielten Jungen.

Die Kraft des Bären ist die Kraft der Erde,
die Macht des weiten, menschenleeren Landes;
wenn du den Tanz des Bären übst,
auf weichen, doch mächtigen Tatzen,
wirst du rund wie die Erde
und stark wie die reißenden Flüsse,
wo der Grizzly in der Gischt steht
und Lachse fängt.

 

* * *

 

Die Stille

Die Stille
sucht sich immer wieder
neue Stimmen,
die sie in Worte fassen,
deren Wesentlichstes das
Ungesagte ist.

Das Unsagbare schwebt
zwischen Wörtern, Räumen
- lebt.

 

* * *

 

Departure

Im Zeitalter der großen Jets
ist Reisen oft nur noch Ankommen
und vielleicht fliegen wir so viel
um vor uns selbst zu fliehen
wodurch dann Aufbruchsort und Ziel
zu immer größerer Ähnlichkeit verkommen

So wirken diese Menschen in der Abflughalle
trotz Reisefieber irgendwie beklommen
wie eine große Herde in der Falle
und völlig in ihre eigene Welt verstrickt
obwohl die lächelnde Check-in-Frau sie doch
nach oben in den freien Himmel schickt

 

* * *

 

Ausstellung, Neuwied, 1993:
"Die Reise in das innere Nord-America von Maximillian Prinz zu Wied
und Karl Bodmer"

Ausstellungsstück:
Kleid einer Plains-Indianerin, um 1850.

Vor hundertvierzig Jahren erfüllte ein Mensch
dieses Kleid, wer mag
die weißen, blauen und roten
Stachelschweinborsten und die vielen Fransen
bewundert haben?

Tränen und Lachen - verweht.
Der Körper wieder Teil der Prärie.
Kinderrufe und Hundegebell,
Tanztrommeln und galoppierende Pferde - verklungen.
Alles, was dieser Mensch mit seinen Augen sah:
verweht wie der Rauch über den Tipis.

Nur dieses Kleid:
stummer Bote eines fernen, fremden Lebens
- Geheimnis der Zeit,
und im Glas des Schaukastens
spiegelt sich mein Gesicht.

 

* * *

 

Le Mont-Saint-Michel

Über den Damm zum Mont-Saint-Michel
laufe ich, meinen Kopf getaucht
in ein verwirrend tiefes Meer aus Sternen.
Dunkel wächst der Mont vor mir in den Himmel.
Ich bin ein Gespenst aus einer anderen Zeit,
husche durch das Tor,
durch die schlafende Andenkengasse,
über nachtschwarze Treppen hinauf,
wo die Abtei auf dem Berg hockt
wie ein dumpf träumender Drache.
Von dort oben sehe ich den Horizont
eine rote Sonne gebären.

Später werden sich Busladungen
ins Mittelalter ergießen, ein Strom
sonnenroter Touristenleiber, die schnaufend,
bildermachend den Heiligen Berg besteigen,
wo die Abtei als fremde, mystische Vision
in den entweihten Himmel ragt.

 

* * *

 

Rhein-Elegie

Der Strom stieg rasch,verschlang
einige Möbel in den Häusern am Ufer,
wo die Mieten billig sind.
Die Eingänge der alten Häuser
im kalten Wasser,
Stege
zu den Fenstern im ersten Stock.
Eine alte Frau
mit dem Feuerwehr-Schlauchboot
zum Krankenwagen.

Der Pegel fällt,
Treibgut hängt
an Straßenlaternen
und Ufergeländern.
Es hinterlässt der Strom
ölig-grauen Schlamm, alles wartet,
dass er in sein Bett zurückkehrt.

In den gelblich-braunen Fluten
singt irgendwo die Loreley.

 

* * *

 

Am Rhein
- später Nachmittag

Hinter
tanzenden Zweigen
hoher Silberweiden
der Fluss
Lichtader zum Ozean
ferne Ufer
in den Rufen
der Möwen am Himmel

 

* * *

 

Delphinisch

Das Meer - ewig
wirft es mir seine Wellen entgegen,
malt Muster in den Sand,
meißelt Zeit in die Klippen.

Der Mond zieht an mir
zu siebzig Prozent wässrigem Wesen,
Ebbe und Flut fallen und steigen
an den weiten Ufern meines Herzens.

Tränen habe ich, salzig wie Tang,
Meersalz bindet mein Blut.
In den Muscheln meiner Ohren
rauscht die ewige Mutter, die See.

 

* * *

 

Süden

Träume
schweben hinter roten Horizonten und
erstes Licht
zerpflügt das Schattenspiel der Nacht.
Da ist ein Duft
von fernen sonnenblauen Küsten und
kleine Fischerboote schaukeln sanft am Kai.
Der Wind
spielt mit Tischdecken und weißen Segeln.
Auf den Tischen: Schafskäse, Oliven, Wein.
Die Zeit
kam nie in diese Orte.
Der Tod
ein kurzer Schlaf am Strand.

 

* * *

 

Wiederkehr eines alten Mannes

Fast bis zuletzt
blieb die Vergangenheit
seine treue Gefährtin,
überlebte in viel erzählten Geschichten,
die sich in seinem Kopf drehten
wie Gebetsmühlen.

Zuletzt
floh ihn auch die Vergangenheit.
Nackt und sprachlos
trieb er in ruderloser Barke
unter den Sternen.

Nackt und sprachlos
kam irgendwo
ein Kind zur Welt,
öffnete den Mund
zum ersten Schrei,
hungrig
nach neuen Geschichten!

 

* * *

 

Solange

Solange der Ruf des Bussards mich berührt,
der grau schweigende Flug des Reihers mich trifft
wie die hallenden Rufe
durchs Sonnengeäst gleitender Spechte,
steht der Horizont mir weit offen.

Als Wanderer unter Großem Wagen und Orion
fürchte ich mich nicht vor dem fraglosen Nichts,
und darum freut sich die Nacht
über meine Gesellschaft,
kleidet mich in einen Mantel aus Flussnebel,
Sternengöttinnen spinnen die Fäden meiner Träume.

Ich gleite durch die Tür des neuen Morgens,
füge mich ein zwischen Toaster und Kühlschrank,
gut geölt summe ich durch den Tag,
habe ein Lächeln für Nachbarn und Briefträger,
aber auch unter der Mittagssonne
bleibt meine Neugierde unruhig,
meine Fragen huschen als Schwalben über die Dächer.

 

* * *

 

Highwayman ist ein wunderbarer Song von Jimmy Webb. Er wurde von verschiedenen Sängern aufgenommen, aber mir als altem Johnny-Cash-Fan gefällt dessen Version am besten. Ich habe mich davon zu folgendem Gedicht inspirieren lassen:

Unterwegs

Ich war ein Wikinger,
fuhr mit Leif Eriksson
von Grönland in die Neue Welt.
Dort baute ich in einer Walfischbucht
fieberkrank mein letztes Zelt.

Ich war Conquistador,
segelte mit Cortez
in ein Land voll Gold.
Dort, tief im Dschungel,
hat der Teufel mich geholt.

Ich war ein weißer Jäger,
dem Großwild auf der Spur
im schwarzen Herz von Afrika.
Das Blut des angeschossenen Elefanten
war das letzte, was ich lebend sah.

Ich bin nicht tot, bin unterwegs,
und find ich keinen Ort,
wo meine Seele schlafen kann,
fang ich vielleicht als Wikinger
nochmal von vorne an.

Ich war Pilot,
der kühn den Südpol überflog,
bis im Eissturm mir ein Flügel brach
und der von Öl und Flugbenzin befleckte Schnee
mit tausend Nadeln nach mir stach.

Ich war ein Bergsteiger,
bezwang den kalten, alten Everest,
und als ich in die Augen des Schneeleoparden sah,
war ich der Wahrheit zwischen Nacht und Tag
wie nie zuvor ganz nah.

Ich bin ein Raumfahrer,
die ganze Galaxie mein Mutterland.
Ich kreuze durch das weite Sternenmeer,
auf dass ich Gott erkenne
in Gasnebeln und Pulsaren ringsumher.

Ich bin nicht tot, bin unterwegs,
und finde ich den Ort,
wo meine Seele träumen kann,
ruh ich mich aus und schau mir dann
noch viele andere lebendige, bewohnte Welten an.

 

* * *

 

Ein deutscher Text zum Leonard-Cohen-Song The Partisan (Originaltext: Anna Marly und Hy Zaret, MCA Music)

Der Partisan

Als Soldaten einmarschierten,
riet man mir, mich zu ergeben.
Das konnte ich nicht tun.
So floh ich in die Wälder.

Ich trug manchen falschen Namen,
Frau und Kind hab ich verloren,
hab aber viele Freunde.
Wir kämpfen nicht alleine.

Eine Bäuerin gab uns Obdach,
verbarg uns vor der Patrouille,
hielt sie mutig auf.
Sie starb ohne ein Flüstern.

Drei noch waren wir am Morgen,
jetzt bin ich alleine übrig,
doch ich geb nicht auf,
bis alle Grenzen fallen.

Oh, der Wind, der Wind weht stetig,
weht auf Gräbern und auf Feldern.
Bald schon sind wir frei,
und kommen aus den Schatten.

 

* * *

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Linz am Rhein.
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