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Zur Person

 

1964 wurde ich in Wuppertal geboren, von wo die Familie 1969 ins Rheinland umsiedelte, und zwar in die “Bunte Stadt” Linz. Da ich mich damals noch etwas zu unselbständig fühlte, um einen eigenen Hausstand zu gründen, kam ich natürlich mit und lebte mich in Linz ein. (Das rheinische Idiom beherrsche ich aber bis heute nur unvollkommen.) 1983 machte ich am hiesigen Martinus Gymnasium das Abitur - mehr schlecht als recht, aber zum Glück kommt es beim Schriftstellerberuf ja nicht auf Noten und Diplome an.

Nach dem Schulabschluss befand ich mich in einer der für die achtziger Jahre typischen Sinnkrisen - würde der Weltuntergang nun durch die Nato-Nachrüstung oder das Waldsterben eingeleitet werden? Und dann kam etwas später auch noch Tschernobyl! Um zumindest äußerlich eine gewisse Sinnhaftigkeit herzustellen, begann ich in Bonn ein Studium der Anglistik, Neueren Geschichte und Skandinavistik. Meinen Lebensunterhalt finanzierte ich mir, indem ich Bücher aus dem Englischen übersetzte. Diesen Job hatte mir mein Bruder besorgt, der damals als Redakteur beim Bastei Verlag arbeitete. Fortan übertrug ich also für Bastei Sciencefiction-Literatur ins Deutsche (für SF-Fans: unter anderem Romane von Robert Sheckley, C. L. Moore und Orson Scott Card). Das machte Spaß und wurde zwar nicht üppig, aber doch ganz ordentlich bezahlt. Nebenbei unternahm ich schriftstellerische Gehversuche in Form von Romanen, die nie über das erste Kapitel hinausgelangten, Kurzgeschichten und Gedichten.

Meine universitären Bemühungen gestalteten sich  eher zäh. Nach acht Semestern war ich noch nicht nennenswert über das Grundstudium hinausgelangt. Daher beschloss ich, das Ganze erstmal auf Eis zu legen, und leistete meinen Zivildienst ab. Ich hatte gleich bei der Musterung den Kriegsdienst verweigert. Sturmgewehren und anderen ästhetisch abstoßenden Gerätschaften, mit denen man sich selbst und seinen Mitmenschen bleibende Schäden zufügen kann, vermag ich bis heute nichts abzugewinnen. Damals war die merkwürdige Gewissens-Inquisition namens “Prüfungsausschuss für Kriegsdienstverweigerer” noch obligatorisch - in meinem Fall geleitet von einem schneidigen Ex-Offizier, der sich besonders darüber wunderte, dass ich als Begleitperson meinen Vater mitgebracht hatte. Das sei doch sehr ungewöhnlich. Mein Vater unterstützte meine Verweigerung aber leidenschaftlich, da er seit seinen Erfahrungen als Hitlerjunge während des Zweiten Weltkriegs eine herzliche Abneigung gegen alles Militärische hegt.

Um die oben erwähnte Sinnkrise in den Griff zu bekommen, hatte ich inzwischen allerlei Sinnstiftendes gelesen, von Hermann Hesses Siddharta bis Fritjof Capras Wendezeit. Nach dem Zivildienst wechselte ich die Studienfächer und schrieb mich für Philosophie, Vergleichende Religionswissenschaft und Politik ein. Doch mit der vergnügt dem Leben zugewandten Alltags-Philosophie meines Lieblingsphilosophen Alan Watts hatte, wie ich schnell herausfand, das Philosophiestudium wenig zu tun. Stattdessen stand ziemlich viel abstrakte Logik auf dem Lehrplan, und Mathematik (mit der ich schon in der Schule auf Kriegsfuß gestanden hatte).

Die akademische Welt und ich schienen irgendwie nicht besonders kompatibel zu sein. Nach weiteren vier Semestern gab ich auf und beschloss, endlich einen soliden Beruf zu ergreifen: Ich wurde Krankenhauspförtner. Jeder Eingeweihte wird Ihnen bestätigen, dass dies in Krankenhäusern und anderen großen Institutionen der bedeutendste Job ist, bedeutender noch als Verwaltungsdirektor oder Chefarzt. Wir regierten über Anmeldetheke und Telefonzentrale und neben der Scheibe klebte ein Schild mit der Aufschrift: Der Sachbearbeiter weiß alles über etwas, der Chef weiß etwas über alles, die Pforte weiß alles über alles. Endlich konnte ich Philosophie studieren! Jedem angehenden Schriftsteller empfehle ich, mindestens zwei Jahre seines Lebens als Krankenhauspförtner zu arbeiten. Eine ausgezeichnete Schulung.

1993 beschritt ich dann endgültig jenen Weg, der mir offenbar in die Wiege gelegt war: mich als frei schaffender Künstler durchs Leben zu schlagen, mit den Buchübersetzungen aus dem Englischen als zweitem ökonomischen Standbein. Inzwischen übersetze ich seit zwanzig Jahren - ein buntes Sammelsurium von bis heute mehr als sechzig Romanen und Sachbüchern, zuletzt beispielsweise einen Los-Angeles-Krimi der farbigen Autorin Paula L. Woods, Teile einer Arnold-Schwarzenegger-Biographie und ein Sachbuch über Halloween. Als 1998 im Weitbrecht-Verlag mein erster eigener Roman Schattenwölfe erschien, ging für mich ein Traum in Erfüllung. Den Menschen, die damals an mich geglaubt haben, allen voran meinen Eltern und meinem Bruder Michael, werde ich immer dankbar sein. Viel zu lange hatte ich selbst nicht daran geglaubt, dass dieser Traum Wirklichkeit werden könnte.

Inzwischen habe ich mich ein wenig in der Welt umgeschaut, bin aber, von einem Intermezzo in Bonn abgesehen, Linz als Wohnort treu geblieben. Ich fühle mich hier wohl und lebe gern am großen Fluss.

Vielleicht sollte ich die Politik noch erwähnen: Dafür habe ich mich immer interessiert. Anfang 1987 trat ich in die SPD ein. Als Parteien kamen für mich nur die SPD und die Grünen in Frage. Die Grünen beschäftigten sich damals noch fast ausschließlich mit dem Umweltschutz. Das war lobenswert, aber sie hatten eben keinen Willy. Meine Bewunderung für Willy Brandt ist sicher auch durch meine Mutter geweckt worden, die eine glühende Anhängerin war. Im Jahr der großen Willy-Wahl, 1972, lief sie unerschrocken mit einer “Willy wählen!”-Plakette durchs katholisch-schwarze Linz, und in unseren Hausflur hängte sie ein großes, gerahmtes Willy-Foto.

Da die ehrenamtliche Personaldecke der SPD (wie der meisten Parteien) ziemlich dünn ist, hat man schnell das eine oder andere Pöstchen weg, und so wurde ich Vorsitzender der Linzer Jusos. Wir veranstalteten einigen Wirbel, forderten Jugendräume und brachten von einem früheren Schaumstoff-Hersteller verbuddelte Chemie-Fässer ans Tageslicht. 1989 wurde ich zusammen mit einer Juso-Kollegin für die SPD in den Linzer Stadtrat gewählt, dem ich bis 1994 angehörte (als Nachrücker dann erneut von 2002 bis 2004). Kommunalpolitik ist mitunter nervig, bietet aber den Reiz, ganz konkret das Leben vor Ort in der eigenen Gemeinde mitgestalten zu können. Das ist anstrengender, aber auch interessanter als lediglich an der Theke über DIE Politiker zu lästern. In einer Demokratie sind DIE eben nun einmal WIR. Wir sind das Volk - oder, eine ältere Formulierung, die, glaube ich, sogar von Willy Brandt stammt: Demokratie lebt vom Mitmachen.

Was mir an der sozialdemokratischen Idee, wie sie für mich von Willy Brandt verkörpert wurde, gefällt ist ihre Menschenfreundlichkeit, die Vision eines Staates, in dem sich alle zu Hause fühlen können. Die praktische Ausführung ist natürlich unvollkommen wie alles, was Menschen sich ausdenken. Aber ein freiheitlicher, demokratischer Staat ist eben eine ständige Baustelle, und anders wäre es ja auch langweilig. Als kreativer Menschen mag ich keine starren Strukturen, sondern habe es lieber, wenn die Dinge im Fluss sind. So kann immer wieder Neues entstehen.

Update Mai 2008:

Die Entstehung des Neuen hatte etwas länger gedauert, als ursprünglich geplant, aber jetzt ist mein Mittelalter-Roman Der Mönch und die Jüdin im Verlag Droemer Knaur erschienen.

Und zu meiner großen Freude wurde mir im November 2006 der Kulturpreis der Sparkassenstiftung der Stadt Linz am Rhein verliehen.

Thomas Görden

 

Foto: Benedikt Schmidt